Reportage und Fotos zum Thema "nachhaltiger Kaffeeanbau in Brasilien" für die "Crema"

Es ist sieben Uhr morgens und ich stehe mit 25 brasilianischen Farmarbeitern im Kreis und mache Morgengymnastik. Um mich herum erstrecken sich kilometerweit saftig-grüne Kaffeefelder im Morgendunst. Hier auf der Kaffeefarm Ponto Alegre ist erst einmal ausgiebiges Stretching angesagt, bevor die Arbeit losgeht. Die Farm befindet sich mitten in den Bergen von Brasiliens größter Anbauregion Minas Gerais und wird von der Familie Sousa in der vierten Generation geführt. Die Definition von „Familienbetrieb“ ist hier wohl etwas anders, wenn man bedenkt, dass die Farm insgesamt 416 Hektar Land umfasst - eine Fläche von mehr als 1000 Fußballfeldern. Von diesem Areal ist mehr als die Hälfte mit Kaffeepflanzen bewachsen, die sich an die hügelige Landschaft schmiegen. Hier wurden in der letzten Saison 5.700 Kaffeesäcke à 60 Kilogramm geerntet.
Jedoch kein herkömmlicher Kaffee, denn der Kaffee der Sousas trägt das UTZ CERTIFIED-Siegel, einem internationalen Zertifizierungsprogramm für den nachhaltigen Anbau von landwirtschaftlichen Produkten, unter anderem Kaffee. 
Ich wohne eine Woche direkt auf Ponto Alegre, wo ich mit den Sousa-Brüder Renato und Eduardo von der Anpflanzung über die Ernte bis hin zur Qualitätskontrolle jeden Schritt des nachhaltigen Kaffeeanbaus mit eigenen Händen miterlebe. Die Tage auf der Farm beginnen früh - bei Sonnenaufgang schallt ein lauter Alarm über das Gelände und weckt die Farmarbeiter, inklusive mir. Ausschlafen kann ich zuhause!
Nach der Morgengymnastik fahren wir über staubige Straßen Richtung Kaffeeplantage und ehe ich mich versehe, stehe ich auf einer Leiter am Kaffeestrauch und ernte meine ersten Früchte. Da die Kaffeefarm in den Bergen liegt, wird auf Ponto Alegre noch komplett per Hand geerntet. Dennoch geht das Ernten relativ schnell, weil die Kaffeekirschen nicht einzeln gepflückt werden, sondern von den Ästen gestreift werden können. Danach werden Blätter und Zweige aussortiert, die Kirschen werden in großen Säcken am Rand der Felder gesammelt und am Ende des Tages zur Weiterverarbeitung ins Zentrum der Farm gebracht. Von meinem Feld habe ich eine phantastische Sicht auf die gesamte Plantage. Neben unzähligen Kaffeesträuchern gibt es auf Ponto Alegre einen Fischteich und viele Bäume, in denen sich Tukane, Affen und Kolibris tummeln. Der Schutz des natürlichen Baumbestandes und der Wiederaufbau einer natürlichen Bewaldung ist ein wichtiger Teil des UTZ CERTIFIED-Programms. Das Programm setzt sich zudem für angemessene und saubere Unterkünfte für die Farmarbeiter und eine gute Schule für deren Kinder ein. Somit steht nach "meiner" Ernte als nächstes ein Besuch der Arbeiter-Unterkünfte samt Großküche an. Hier wird jeden Tag ein Mittagessen für alle Arbeiter gekocht. Bohnen und Reis gehören - typisch brasilianisch - immer dazu. 
Neben sozialen Aspekten fördert UTZ CERTIFIED Maßnahmen zur Qualitäts- und damit Profitsteigerung der Ernte, und so wird auf Ponto Alegre großer Wert auf höchstmögliche Qualität und beste Verarbeitung gelegt. Dabei bestimmt jeder einzelne Schritt, von der Ernte bis hin zur Röstung, die Kaffeequalität. Das fängt in Ponto Alegre bei der Nassaufbereitung an, bei der die Kaffeekirschen je nach Reifegrad getrennt werden und hört auf bei der Sortierung der fertig verarbeiteten Bohnen nach Farbe und Größe. Die niedrige Qualität ist für den nationalen Markt bestimmt und die höchste Qualität wird zum Rösten exportiert. Der finale Schritt der Qualitätskontrolle ist die Verkostung, die jeden Tag stattfindet. Süße, Säure und Volumen – das sind die wichtigsten Qualitätsmerkmale von Kaffee, wie mir Qualitätsmanager Leandro bei der Verkostung erklärt. Mit größter Sorgfalt röstet er die Bohnen, atmet ihren Duft ein und überprüft die Balance der Geschmacksaromen. Bei Kaffee mit UTZ CERTIFIED-Siegel wird jeder Kaffeebohne zudem eine Nummer zugeordnet. So ist es von zuhause aus möglich, die Herkunft des Kaffees genau rückzuverfolgen. Vielleicht trinke ich ja demnächst einen Becher aus Kaffeebohnen, die ich hier in Ponto Alegre mit eigenen Händen geerntet habe...